Das Kopftuchverbot in Österreich – eine Frage der Gleichbehandlung
Die österreichische Bundesregierung hat 2025 erneut ein Gesetz angekündigt, das das Tragen islamischer Kopftücher an Schulen untersagen soll. Damit kehrt eine Diskussion zurück, die bereits vor fünf Jahren verfassungsrechtlich entschieden schien – und wirft grundsätzliche Fragen nach Gleichbehandlung, Religionsfreiheit und gesellschaftlichem Zusammenhalt auf.
Ein kurzer Rückblick
2019 beschloss die damalige ÖVP-FPÖ-Koalition ein Verbot religiös konnotierter Kopfbedeckungen in Volksschulen. Offiziell galt das Gesetz für alle Religionen, in der Begründung und politischen Kommunikation war jedoch klar, dass vor allem muslimische Mädchen gemeint waren.
2020 erklärte der Verfassungsgerichtshof das Verbot für verfassungswidrig. Es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Religionsfreiheit, da ausschließlich das islamische Kopftuch betroffen war. Eine sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung konnte der Staat nicht vorlegen.
Der neue Entwurf 2025
Der aktuelle Entwurf sieht ein Kopftuchverbot bis zur achten Schulstufe vor. Betroffen wären damit alle Schülerinnen bis etwa 14 Jahre, an öffentlichen wie an privaten Schulen. Eltern, die das Verbot missachten, könnten mit Geldstrafen belegt werden.
Das Gesetz begründet die Maßnahme mit dem Schutz der „freien Persönlichkeitsentwicklung“ junger Mädchen. Eine objektive Grundlage dafür, dass das Tragen eines Kopftuchs diese Entwicklung gefährdet, wird im Entwurf jedoch nicht vorgelegt.
Juristinnen und Juristen weisen darauf hin, dass der Verfassungsgerichtshof bereits 2020 klar formuliert hat, dass ein Verbot nur dann zulässig wäre, wenn es alle religiösen Symbole gleichermaßen beträfe oder eine zwingende sachliche Rechtfertigung vorläge. Beides ist auch im aktuellen Entwurf nicht gegeben.
Kritik aus Zivillgesellschaft und Fachwelt
Vertreterinnen der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), Kinderrechtsorganisationen und Menschenrechtsgruppen sehen in dem Vorhaben einen Rückschritt. Ein selektives Verbot, das nur eine Religion betrifft, sei keine Maßnahme der Gleichberechtigung, sondern ein Signal der Ausgrenzung.
Bildungsexpertinnen warnen zudem, dass ein solches Gesetz das Vertrauen muslimischer Familien in staatliche Bildungseinrichtungen untergräbt und Mädchen in ihrer schulischen Teilhabe verunsichert.
Politischer Kontext
Das Kopftuchverbot wird derzeit von der ÖVP unterstützt und auch innerhalb der SPÖ diskutiert. Befürworterinnen sehen darin ein Mittel, religiösen Druck zu vermeiden; Kritikerinnen sprechen von Symbolpolitik ohne pädagogischen Nutzen.
Ob das Gesetz tatsächlich beschlossen wird, ist offen. Sollte es in Kraft treten, ist mit einer neuerlichen Anrufung des Verfassungsgerichtshofs zu rechnen.
Fazit
Das Kopftuchverbot bleibt weniger eine juristische als eine gesellschaftliche Frage. Es berührt die Grundsätze eines pluralistischen Staates: das Recht auf Religionsfreiheit, die Gleichbehandlung aller Bürgerinnen und Bürger und den Schutz vor Diskriminierung.
Ob Österreich aus den Erfahrungen der letzten Jahre gelernt hat, wird sich daran zeigen, ob das Land den Mut findet, Vielfalt nicht als Problem, sondern als Teil seiner Normalität zu verstehen.

